Durch die Neonatalerhebung wird nach bundesweit einheitlichen Kriterien die
neonatologische Versorgungsqualität der in den ersten 10 Lebenstagen stationär
aufgenommenen Neu- und Frühgeborenen erfasst. Damit stellt sie die wichtigste
Maßnahme zur externen Qualitätssicherung der Neugeborenenversorgung in
Deutschland dar.
Die Analyse der in der Neonatalerhebung prospektiv erhobenen
Qualitätsindikatoren erlaubt Aussagen über die aktuelle Struktur-, Prozeß- und
Ergebnisqualität der perinatalen Versorgung im jeweiligen Bundesland und im Sinn
eines bench-marking auch der einzelnen Klinik. Jeder Klinik wird so angezeigt,
in welchen Bereichen ihr Potential zur Optimierung der Behandlungsqualität
besteht. Damit wird die Versorgungsqualität nicht nur erhoben, sondern auch eine
kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der Versorgung kranker
Neugeborener erreicht.
In Berlin wird die Neonatalerhebung seit 1998 durchgeführt. Die statistische
Auswertung der elektronisch erfassten Daten erfolgt im Abstand von 2 Jahren.
Danach erarbeiten die Berliner Neonatalkommission und die Ärztekammer Berlin
gemeinschaftlich eine öffentliche und anonyme Präsentation der Ergebnisse. Den
essentiellen Teil der qualitätssichernden Arbeit bilden die Gespräche an den
beteiligten Kliniken. Die etwa einstündigen Einzelgespräche sind vertraulich und
werden sachlich und kollegial geführt. So kann in entspannter Atmosphäre gezielt
gearbeitet und Qualitätssicherung betrieben werden. Für jedes Haus individuell
erstellte Statistiken und Graphiken zum Beobachtungszeitraum erhalten die
Kliniken bereits vor dem Gespräch zur Vorbereitung. Diese Statistiken und
Graphiken stellen die Versorgungsqualität der jeweiligen Klinik durch Vergleich
mit dem Berliner Schnitt in den lokalen Kontext. Auf der Grundlage dieser Daten
werden die Stärken und Schwächen der einzelnen Klinik sichtbar.
Versorgungsprobleme können so im Hinblick auf mögliche Ursachen individuell
analysiert und im kollegialen Austausch Ansätze zur ihrer Vermeidung erarbeitet
werden. Die Ergebnisse der Einzelgespräche werden in Protokollen festgehalten
und in dieser Form allen Beteiligten zur Verfügung gestellt.
Insgesamt überwiegen in unserem Beobachtungszeitraum 1998-2007 und damit seit
Einführung der interaktiven Qualitätssicherung die positiven Entwicklungen im
Sinn einer Konstanz oder Optimierung der Versorgungsqualität von kranken
Neugeborenen in Berlin. Stellt dies einen Effekt des externen
Qualitätsmanagements dar? Diese Frage kann im Hinblick auf einen kausalen
Zusammenhang zwischen funktionierendem Qualitätsmanagement und optimierter
Versorgungsqualität natürlich nicht beantwortet werden. Multiple Faktoren - wie
gesundheitspolitische Rahmenbedingungen, wissenschaftlicher und technischer
Fortschritt, kontingente Veränderungen im Patientenkollektiv oder den ärztlichen
Teams, externes und internes Qualitätsmanagement und anderes - haben Einfluss
auf die Versorgungsqualität und auf einander. Dennoch lässt sich der Beitrag des
externen Qualitätsmanagements, so wie es in Berlin von den neonatologischen
Kliniken seit Jahren praktiziert wird, zu einer verbesserten Patientenversorgung
wie folgt benennen:
(1) Qualität wird messbar. Eine
systematische und prospektive Erhebung von Qualitätsmarkern wie im Rahmen der
bundesweit durchgeführten Neonatalerhebung erlaubt Aussagen über die
Versorgungsqualität der einzelnen Klinik im regionalen, nationalen und
gegebenenfalls internationalen Vergleich und über die Zeit auch im Vergleich zur
eigenen Leistung. Wir zeigen hier eine mess- und damit überprüfbare Verbesserung
der neonatologischen Versorgungsqualität in Berlin. Unter den Bedingungen eines
zunehmenden Wettbewerbs im Gesundheitswesen wird der Nachweis der geleisteten
Versorgungsqualität insbesondere für teure Intensivdisziplinen wie die
Neonatologie immer wichtiger.
(2) Gemessene Qualität wird nutzbar. Die
Kontextualisierung des eigenen Leistungsprofils erlaubt Stärken und Schwächen
der einzelnen Kliniken zu identifizieren und bestehende klinische Prozesse im
Hinblick auf mögliche Optimierung kritisch zu hinterfragen. In Berlin leisten
dies seit 1998 vor allem die vertraulichen Einzelgespräche zwischen der Leitung
der an der Neonatalerhebung beteiligten Kliniken und der Berliner
Neonatalkommission. Mit der Identifikation von klinikspezifischen Defiziten und
entsprechenden Handlungsoptionen können klinikintern Protokolle zur Optimierung
der Patientenversorgung erarbeitet und umgesetzt werden. Der
Informationsaustausch zwischen Kollegen auch über die eigene Institution hinaus
wird bestärkt.
(3) Gemessene Qualität motiviert.
Kontinuierliche Evaluation, wie sie auch durch die Neonatalerhebung
gewährleistet ist, macht die Effekte vorgenommener Maßnahmen sichtbar und
motiviert zur Weiterführung des Qualitätsmanagements - und natürlich primär zur
Arbeit mit dem Patienten.