(16.02.2011)
Kammerpräsident Jonitz: Gesundheitspolitik und Klinikträger haben vor weicher Rationierung in deutschen Krankenhäusern jahrelang die Augen verschlossen
"Es liegt ein eklatanter Fall von Versagen der Gesundheitspolitik und der
Krankenhausträger vor", kommentiert der Berliner Ärztekammerpräsident Dr. med.
Günther Jonitz die heute veröffentlichten Ergebnisse einer Befragung des
Marburger Bundes zur Arbeitssituation von Klinikärzten. 12.000 von rund 140.000
Krankenhausärztinnen und -ärzten in Deutschland hatten an der bislang größten
Befragung dieser Art teilgenommen. 41 Prozent der Befragten bewerteten ihre
persönlichen Arbeitsbedingungen als schlecht bis sehr schlecht. "Diese
Entwicklung wird seit Jahrzehnten vorsätzlich ignoriert", erklärte Jonitz, der
bereits 1993 im Artikel "Die Qualität im Krankenhaus stirbt zentimeterweise" vor
schleichendem Qualitätsverlust durch zunehmende Rationierung und
Kommerzialisierung in deutschen Krankenhäusern gewarnt hat. Auch der Deutsche
Ärztetag 1998 hatte sich auf Initiative von Jonitz intensiv mit der Problematik
befasst.
Die Unterbesetzung in deutschen Kliniken ist laut der Umfrage drastischer als
vermutet. In jeder Krankenhausabteilung fehlen im Schnitt 1,5 Stellen.
Bundesweit sind das 12.000 unbesetzte ärztliche Stellen. "Diese Unterbesetzung
versuchen die Kliniken durch Arbeitsverdichtung und fachübergreifende
Bereitschaftsdienste zu kompensieren", betonte der Berliner Kammerpräsident. Mit
dramatischen Folgen für die Patientenversorgung: "Wenn beispielsweise Urologen
oder Unfallchirurgen für Kaiserschnitte eingesetzt werden - wie dies auch in
Berlin vorkommt -, erhöht sich die Gefahr von Komplikationen um ein Vielfaches."
Die weiche Rationierung und die damit einhergehenden Qualitätsverluste seien
in vollem Gange. "Wir erleben eine systematische Herabsetzung von
Qualitätsstandards - auch in kommunalen Krankenhäusern, wo der Staat unmittelbar
für die Patientenversorgung verantwortlich ist", sagte Jonitz und fügte hinzu,
dass es den Patienten nur gut gehen kann, wenn sie von ihren Ärzten unter
zufriedenstellenden Arbeitsbedingungen behandelt werden.
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