(02.05.2011)
Senatsverwaltung warnt
Der Eichenprozessionsspinner (EPS) ist ein Schmetterling (Nachtfalter), der seit
2004 vermehrt in Berlin und Umgebung beobachtet wird. Schwerpunkte der
Besiedlung sind in Steglitz-Zehlendorf (ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden,
Kronprinzessinnenweg / Königsweg), Charlottenburg-Wilmersdorf (Havelchaussee und
Tiefwerder, Schanzenwald, Jungfernheide), Spandau (Hakenfelde) und Reinickendorf
(Bernauer Straße, Tegeler Forst).
Der Nachtfalter selbst ist harmlos, allerdings weisen seine Raupen als
Fressschutz Brennhaare auf, die das Nesselgift Thaumetopoein enthalten.
Dieses ist als Auslöser irritativer und entzündlicher Reaktionen bei
Mensch und Tier bekannt. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners schlüpfen im
Mai und befressen die austreibenden Knospen und Blätter von Eichenbäumen. Sie
leben auf den befallenen Bäumen in Gruppen, die zur Nahrungssuche die
namensgebende Prozession bilden. Ende Mai / Anfang Juni werden die
Brennhaare ausgebildet. Diese sind
leicht brüchig und können durch Luftströmungen über weite Strecken getragen
werden. Vor Ort sind Brennhaare auch nach Jahren in sogenannten Gespinstnestern
enthalten bzw. reichern sich im Unterholz und im Bodenbewuchs in der Umgebung
der betroffenen Eichen an.
Anamnestisch berichten Patienten von einem Aufenthalt im Freien. Die
befallenen Bäume stehen meist an sonnigen Waldrändern, aber auch freistehend in
Parks, Gärten, Freibadanlagen und auf Sportplätzen. Darüber hinaus können auch
Haustiere die Brennhärchen "verschleppen" und in die häusliche Umgebung
tragen. Besonders gefährdet sind hiervon Tiere, mit denen unter vom
Eichenprozessionsspinner befallenen Eichen spazieren gegangen wird.
An Krankheitssymptomen wird am häufigsten eine Dermatose beschrieben.
Insbesondere kommt es zu einer
Kontakturtikaria
und einer toxisch-irritativen
Dermatitis.
Beide Krankheitsbilder werden auch als "Raupendermatitis" bezeichnet. Klinische
Symptome sind starker Pruritus, Erythem und Quaddel-, Pustel- bzw. Papelbildung.
Die Papeln können durch Insektenstiche hervorgerufenen Knötchen ähneln und sind
nicht selten aufgekratzt. Die Dermatitis tritt vor allem an nicht von Kleidung
bedeckten Hautpartien, wie z. B. dem Gesicht, dem Hals, sowie an den distalen
oberen Extremitäten / Armbeugen auf. Das Auftreten geschieht in engem zeitlichem
Zusammenhang mit der Exposition (zumeist innerhalb von 24 Stunden) und dauert
unbehandelt zwischen 2 Tagen und 2 Wochen.
Bei Kontakt mit dem Auge kann es zu einer akuten Konjunktivitis mit Rötung,
Lichtscheuheit und Ödemen der Augenlider kommen. Bei Durchbohren der Hornhaut
kann sich eine Keratitis entwickeln. Das Einatmen der Gifthärchen kann eine
Entzündung der Atemwege mit dem entsprechenden klinischen Krankheitsbild
(Laryngitis, Pharyngitis, Bronchitis) hervorrufen. Auch systematische
Krankheitserscheinungen wie Schwindel, Übelkeit, Fieber, Schüttelfrost und, in
seltenen Fällen, Schockzustände werden beschrieben. Diese bezeichnet man als
Lepidopterismus (nach Kontakt mit Brennhaaren von Insekten der Ordnung
Schmetterlinge 'Lepidoptera' auftretend).
Die betroffenen Menschen werden vor allem bei andauernden Beschwerden oder
bei besonderer Schwere der Symptomatik eine/n Ärztin/Arzt aufsuchen. Bei
Augenbeteiligung sollte ein Ophthalmologe zur Spaltlampenuntersuchung
hinzugezogen werden. Die Behandlung ist auf rein symptomatische und supportive
Maßnahmen zur Linderung der Beschwerdesymptomatik beschränkt. Zur Anwendung
kommen Kortikosteroide und Anti-Histaminika, bei Lungenbeteiligung mit
Bronchospasmen können Bronchodilatatoren notwendig werden. Neben den
akutmedizinischen Maßnahmen kommt der Verhaltensprävention eine besondere
Bedeutung zu. Befallsgebiete sollten, wenn möglich, gemieden werden,
insbesondere bei Vorhandensein von Warnhinweisen durch die Gartenbauämter der
Bezirke und die Berliner Forsten. Wenn das Gebiet dennoch betreten werden muss,
sollte auf ausreichenden Haut-, Augen-, Nasen- und Haarschutz durch Bedecken
geachtet werden. Dies gilt insbesondere für Personen, die aus beruflichen
Gründen betroffene Gebiete betreten müssen.
Nach einem möglichen Kontakt mit Raupenhaaren sollte ein sofortiger
Kleiderwechsel mit Duschbad und Haarreinigung vorgenommen werden. Die Kleidung
ist anschließend in der Waschmaschine zu waschen, benutzte Gegenstände, auch
Kraftfahrzeuge, sind ebenfalls sorgfältig innen und außen zu reinigen. Sind
betroffene Stellen an freiliegenden Hautpartien zu beobachten, sollten diese
vorsichtig mit Wasser und Seife gewaschen und am besten mit dem Haarfön
getrocknet werden, um das Einreiben weiterer Brennhaare (z. B. abgebrochene
Teilstücke) zu vermeiden.
Eine Kaltkompresse kann erste Linderung gegen mögliche Schwellungen und den
Juckreiz verschaffen.
Eine Fachinformation für die Bevölkerung zum Eichenprozessionsspinner, seinen
gesundheitlichen Gefahren und Präventionsmöglichkeiten, die gemeinsam mit dem
Pflanzenschutzamt Berlin entwickelt wurde, ist darüber hinaus verfügbar und
abrufbar unter:
http://www.berlin.de/sen/gesundheit/vorsorge/gesschutz/index.html
Kontakt: Dr. med. Gudrun Luck-Bertschat
Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
Oranienstr. 106, 10969 Berlin
gudrun.luck-bertschaft@senguv.berlin.de