(25.11.2010)
Anforderungen an die Helfer von Heute
Humanitäre Hilfe steckt im Wandel - so lautete das Fazit vieler Referenten auf
dem Humanitären Kongress, der am 15. und 16. Oktober unter reger
Publikumsbeteiligung in der Berliner Charité stattfand. Die Vielfalt der
Vorträge, Workshops und Debatten machte deutlich, dass Humanitäre Hilfe mehr
denn je ein nahtloses Zusammenwirken der verschiedensten Disziplinen und die
sofortige Reaktion auf regionale und globale Besonderheiten erfordert. Im Focus
standen dabei das schwere Erdbeben in Haiti sowie die aktuelle Lage in
Afghanistan.
Obwohl sich die Anzahl
der Krisenregionen verringert hat, ist Humanitäre Hilfe nicht einfacher
geworden. Im Gegenteil - die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen sehen sich
konfrontiert mit hoch aufgerüsteten Rebellen- oder Terrorgruppen, die Gewalt
gezielt für ihre Zwecke einsetzen. Hinzu kommen systematische Entführungen zur
Erpressung von Lösegeldern und Verstärkung der medialen Präsenz. In 2008 wurden
ca. 260 Helfer entführt, erheblich verletzt oder getötet - die meisten dieser
Taten waren politisch motiviert.
Humanitäre Hilfe sei
daher nicht nur "Heilsbringung", so Unni Karunakara, Präsident von Ärzte ohne
Grenzen International, sondern verlange auch ein erhebliches Maß an
Kommunikation mit allen Beteiligten vor Ort sowie ein professionelles
Sicherheitsmanagement. Um Erfolge zu erzielen seien vermehrt langfristige
Einsätze notwendig; humanitäre Arbeit könne sich nicht länger auf
Akutsituationen konzentrieren. Überzeugungsarbeit sei nötig, da Humanitäre Hilfe
immer mehr in Frage gestellt werde - und zwar auch von den davon profitierenden
Regierungen. Man befürchte Einmischung und Bevormundung, die es in der
Vergangenheit durchaus gegeben habe. Es gelte daher, auch selbstkritisch zu
Werke zu gehen.
Robert Mardini,
Vizedirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, ergänzte, dass
Humanitäre Hilfe gegenwärtig neue Einsatzfelder erschließe, die eigentlich nicht
vom Mandat humanitärer Arbeit gedeckt seien, z. B. die brasilianischen Favelas.
Die Arbeit dort sei jedoch dringend notwendig und werde folglich ausgebaut und
verbessert.
Um den wachsenden Bedarf
an Humanitärer Hilfe zu decken, braucht es finanzielle Mittel und qualifizierte
Fachkräfte. Der Kongress richtete sich demzufolge ausdrücklich an den
medizinischen Nachwuchs und beleuchtete interdisziplinäre Studiengänge wie
Public Health und studentisches Engagement als Möglichkeiten, sich gezielt auf
eine Arbeit bei einer Hilfsorganisation vorzubereiten. Die hohe Zahl der
teilnehmenden Medizinstudenten bewies, dass das Interesse an Humanitärer Arbeit
trotz der Anforderungen und Risiken besteht.