(27.10.2001)
Stellungnahme der Ärztekammer Berlin auf einer Fachtagung im Oktober 2001
"Über lange Zeit ist die Forschung zur therapeutischen Anwendung von
Cannabisprodukten kaum möglich gewesen. Nationale und internationale
Regelungen, aber auch die öffentliche Meinung verhinderten dies weitgehend.
In den letzten Jahren zeichnet sich jedoch ein Wandel ab, der eine
vorurteilsfreiere klinische Beforschung des Themas und eine begründete
therapeutische Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden erlaubt. In der
Fachpresse und in den Tagesmedien wird die Verwendung von Cannabisprodukten in
der Medizin verstärkt diskutiert, wobei die Darstellung aus fachlicher Sicht
nicht immer ausgewogen und manchmal geradezu kontraproduktiv ist. So zum
Beispiel, wenn die Anwendung von Cannabis-Arzneimitteln mit der Legalisierung
von Hanf auch für Rauschzwecke in Zusammenhang gebracht wird oder
Cannabis-Arzneimittel kritiklos als Wundermittel zur Therapie einer Vielzahl
schwerster Erkrankungen angepriesen werden. (Auch die rechtliche Problematik
hinsichtlich des Arzneimittelgesetzes sei hier nur kurz erwähnt).
Die Bemühungen um die Beforschung und Bereitstellung von Cannabis-Arzneimitteln
sollten sich auf die fachlichen und rechtlichen Fragen konzentrieren und
keinesfalls mit einer Debatte über die Legalisierung von Hanf vermischt werden.
Nicht zuletzt könnten hierdurch auch Patienten als potenzielle
Drogenkonsumenten diskreditiert werden, wenn sie sich ihrerseits für die
Verfügbarkeit von Cannabis-Arzneimitteln einsetzen.
Zweifellos haben Cannabis-Arzneimittel ein breites pharmakologisches Potenzial. Es sei jedoch
darauf hingewiesen, dass der wissenschaftliche Kenntnisstand und die Evidenz zu
den Wirkungen noch unbefriedigend sind und die Informationen über die Wirkung
von Cannabis teilweise auf Untersuchungen beruhen, die nicht den Anforderungen
einer klinischen Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz genügen.
Die medizinische Versorgung der in Frage kommenden Patienten auch mit
Cannabis-Arzneimitteln ist medizinisch und rechtlich nur dann möglich, wenn die
arzneimittelrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Danach müssen
insbesondere reproduzierbare Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der
eingesetzten Arzneimittel wissenschaftlich nachgewiesen sein. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können
die entsprechenden Wirkstoffe als verkehrs- und verschreibungsfähige
Betäubungsmittel in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden, wie dies im
Falle des Cannabis-Wirkstoff Dronabinol seit 1998 der Fall ist. Eine
Selbstmedikation mit ungeprüften Cannabis-Produkten ist aus ärztlicher Sicht
abzulehnen. Ziel muss es sein, auf der Basis einer bestmöglichen
wissenschaftlichen Evidenz Cannabis-Arzneimitteln auf der Grundlage des
Arzneimittelgesetzes in den Verkehr zu bringen und im Sinne des Patienten
therapeutisch einzusetzen."